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Archäologie und der Beruf Archäologe sind ein weites Feld. Sieht man von der ursprünglichen und auch heute noch verwendeten Wortbedeutung "Lehre von den Anfängen" ab, ist Archäologie ein Sammelbegriff für viele unterschiedliche Disziplinen, die sich im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert im Kontext einer schrittweisen Professionalisierung herausgebildet haben. Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich mit dinglichen Hinterlassenschaften aus vergangenen Zeiten beschäftigen, die durch Ausgrabungen wieder ans Tageslicht geholt wurden. Doch jede dieser Archäologien hat ein spezifisches Raum-Zeit-Fenster und Methodenspektrum im Blick und bewegt sich in einem ihr eigenen interdisziplinären Rahmen, der sich von Archäologie zu Archäologie unterscheidet.

Die auf die antiken Kulturen des Mittelmeerraumes zielende "Klassische Archäologie" beispielsweise hat neben sich insbes. die Altphilologie und die Alte Geschichte und ist in diesem Gefüge vor allem eine Kunstgeschichte der Antike. Die Trias aus Alter Geschichte, Altphilologie und Klassischer Archäologie, oft auch als Altertumswissenschaften bezeichnet, umreißt auch, welches Feld von Fähigkeiten ("Skills") diejenigen im Laufe eines wissenschaftlichen Hochschulstudiums erwerben, die Klassische Archäologie als Beruf anstreben. Klassische Archäologie ohne die Kenntnis der beiden grundlegenden alten Sprachen Altgriechisch und Latein und ohne Kenntnis der Alten Geschichte ist kaum möglich. In der eigenen Profession ist "sehen lernen" (Buschor, 1939; 1952; vgl. von den Hoff, 2019) grundlegend, und das Einarbeiten in spezifische moderne Verkehrssprachen wie z.B. Italienisch, Neugriechisch, Türkisch u.a. ist der praktischen Ausübung des Berufs zumindest förderlich. Die Ägyptologie – als weiteres Beispiel – trägt ihren inhaltlichen Fokus im Namen; sie umfasst die Beschäftigung mit der Sprache, Literatur, Geschichte und den dinglichen Hinterlassenschaften des Alten Ägypten, ist in ihrer universitären Praxis zumindest in Deutschland jedoch weit mehr eine (semitische) Sprachwissenschaft als eine auf dingliche Hinterlassenschaften fokussierte Archäologie.

Für die die Anfänge der Menschheitsgeschichte inkludierende und auf den nordalpinen europäischen Raum fokussierte Archäologie wurden im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert mehrere konkurrierende Begriffe verwendet (u. a. Vorgeschichte, Urgeschichte, Prähistorie), unter denen sich "Ur- und Frühgeschichte" (UFG) als sinnvollster und meistverwendeter Fachbegriff herauskristallisiert hat (z. B. Jacob-Friesen, 1928, 85-89; Hoika, 1998). Für deren Beschäftigung mit den jüngsten Epochen hat sich seit den 1980er-Jahren der Begriff "Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit" (AMANZ) etabliert (z. B. Kenzler, Scholkmann & Schreg, 2016). Das Fach UFG / AMANZ bewegt sich in einem spezifischen Beziehungsgefüge, das sich von dem der anderen genannten Archäologien deutlich unterscheidet: Die tiefe Kenntnis alter Sprachen ist (bis auf Ausnahmen) nicht erforderlich; der Faktor Reisebereitschaft / Freude am Aufenthalt in mediterranen Ländern ist (bis auf Ausnahmen) keinesfalls zwingend; Grundkenntnisse von und Dialogbereitschaft mit insbesondere Naturwissenschaften, welche die Ur- und Frühgeschichtsforschung nahe begleiten (z. B. Geologie, Bodenkunde, biolog. Anthropologie, Archäozoologie, Archäobotanik, u.a.), sind hingegen grundlegend, anders als für die o.g. anderen Archäologien; ein Mindestmaß an persönlichen, praktischen Erfahrungen im Ausgrabungswesen ist essenziell, während man als Klassischer Archäologe oder Ägyptologe ohne weiteres erfolgreich sein und wichtige Forschungsbeiträge ins Fach einbringen kann, ohne je ausgrabend tätig gewesen zu sein; auf dem Felde der IT geht es – neben der archäologie-disziplin-übergreifenden Schnittmenge Datenbanken und GIS – in der Ur- und Frühgeschichte weitaus mehr um analytische Instrumente, d.h. Statistik und die dazugehörigen Fertigkeiten und Werkzeuge. Nicht zuletzt: die staatliche Bodendenkmalpflege als wichtiger Arbeitgeber erwartet von Ur- und Frühgeschichtlern die Bereitschaft, sich gründlich auch mit rechtlichen Fragen und der Verwaltungspraxis in Deutschland auseinanderzusetzen (Rohde, 2025) und z.B. rechtsfeste Gutachten und Beauflagungen erstellen zu können – was als Anforderung in dieser Tiefe auf andere Archäologien nicht zutrifft. 

Kurz: "Archäologie" ist ein in der Öffentlichkeit beliebter und berechtigter Oberbegriff, aber weder eine Disziplin noch ein Beruf! Wer in Deutschland oder auch im nordalpinen Europa ausgrabend tätig ist oder mit dem regionalen Grabungswesen zu tun hat, sollte über eine angemessene fachliche Qualifikation verfügen, und deren Bezeichnung ist "Ur- und Frühgeschichte" oder "Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit".

Auf Basis der Frage, wie und wo man tätig ist, welche "Skills" erforderlich sind und was die grundlegenden Methoden sind, ist die Archäologie der Römischen Provinzen alias Provinzialrömische Archäologie trotz ihrer Nähe zur Antike mehr im Berufsfeld UFG / AMANZ zu verorten als im Berufsfeld Klassische Archäologie (Bender u.a., 2000). 

Unsere Website "Beruf Archäologie" zielt auf die in Deutschland praktizierte Archäologie, d.h. auf den Bereich Ur- und Frühgeschichte, Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit sowie Archäologie der Römischen Provinzen. Wie unterschiedlich die Vorstellungen der verschiedenen Archäologien von "der Praxis" (d.h. der Berufstätigkeit) sind, zeigt z.B. das Buch "Im Feld. Wie der Grabungsalltag wirklich aussieht. (Antike Welt, Sonderheft 9/2020)" und dessen Rezension von Falk Näth (2023), dort.

Viele amtliche Darstellungen des Berufs Archäologe/Archäologin (z.B. Arbeitsamt, Berufsberatungen) sind geprägt von der an dieser Stelle fehlleitenden amtlichen "Klassifikation der Berufe" (z.B. dort), die einerseits inhaltlich wie beruflich sehr unterschiedliche Archäologien zusammenfasst und andererseits die Bereiche Ur- und Frühgeschichte sowie Ägyptologie nicht den Archäologien, sondern gänzlich weltfremd dem Beruf "Historiker/Historikerin" zuschlägt. In der Konsequenz skizzieren viele amtliche Texte (z.B. der Arbeitsagentur), die sich an diesem System orientieren, inhaltlich einen Beruf Archäologe/Archäologin, den es in der Wirklichkeit nicht gibt.

 

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